Arbeitsintegration

Chance genutzt. Arbeit gefunden.

Der lange Weg des Herrn Saleh

Abdul Jabbar Saleh hatte Angst als er im Sommer in das Büro von Martina Lange, Mitarbeiterin des jobcenter Kreis Steinfurt, trat. Seine Befürchtung: sie könne nein sagen zu seinem beruflichen Ziel, Busfahrer zu werden. Dann wäre sein Traum endgültig geplatzt.

Zuvor hatte er seinen Wunsch bereits zweimal bei anderen Behörden vorgetragen. Jedes Mal ohne Erfolg. Zu alt, zu wenig Deutschkenntnisse, so die Begründungen für die Ablehnung.

Saleh ist 52 Jahre alt, verheiratet und hat fünf Kinder. Den Großteil seines Lebens hat der Kurde in seiner Heimatstadt Al-Qamischli in der Provinz al-Hasaka im Nordosten Syriens verbracht. Bis er sich gezwungen sah, seine Familie vor den Folgen des Bürgerkrieges in Sicherheit zu bringen. Er floh in den Irak. Die dortige Lage war schwierig. Seinem ältesten Sohn gelang die Flucht nach Deutschland. Mithilfe des Migrationsdienstes der Caritas durfte die ganze Familie später nachziehen. Saleh ist dankbar dafür.

Die Familie kommt in Bayern unter. Zunächst in der Oberpfalz, später in Niederbayern. Zwei seiner Söhne absolvieren hier ihre Ausbildung zum Kraftfahrzeugmechaniker. Sie arbeiten beide auch heute noch in der Region. Seine Tochter erwirbt dort ihren Realschulabschluss und findet ebenfalls Arbeit. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Dresden. Nur bei Saleh will es nicht klappen. Er schämt sich, ist verzweifelt.

Daher entscheidet er sich, ein weiteres Mal neu anzufangen. Er zieht Anfang 2023 mit seiner Frau und den zwei jüngsten Kindern nach Lotte in Nordrhein-Westfalen. Als Bürgergeldbezieher muss er ins Jobcenter. Er sitzt bei Lange im Büro und trägt seinen Wunsch vor. Zugleich schiebt er seine Begründung hinterher: „Ich bin in Syrien zwanzig Jahre lang Bus gefahren. Ich weiß, was dieser Beruf erfordert. Die Arbeit macht mir Spaß.“ Lange hört zu, macht sich Notizen. Als er seine Ausführungen beendet hat, sagt sie zu Salehs Freude nicht Nein. Sie unterstützt ihn in seinem Vorhaben. „Ich arbeite seit zehn Jahren im Jobcenter, ich weiß, ob jemand wirklich will, was er sagt“, so die erfahrene Arbeitsvermittlerin. Sie gibt Saleh zur Aufgabe mit, zwei Fahrschulen zu suchen, bei denen er den Busführerschein erwerben kann. Kein Problem für ihn. Auch die notwendige Sprachprüfung besteht er im ersten Anlauf, sodass Lange im Juni 2023 den Antrag auf den Erwerb des Führerscheins Klasse D auf den Weg bringt. Zwei Monate später startet Saleh seine berufliche Weiterbildung bei VFS Fahrschule in Wallenhorst. Er lernt die Theorie und absolviert die Fahrstunden.

Zur Ausbildung gehört auch ein Praktikum bei einem Verkehrsbetrieb. „Ich bin fünf Wochen als Beifahrer mitgefahren, habe das Fahrkartensystem kennengelernt und mir die Strecken eingeprägt“, so Saleh. Die Kollegen und die Fahrgäste seien alle freundlich gewesen. Die Arbeit habe ihm viel Freude gemacht. „Das Praktikumszeugnis war sehr gut und die Geschäftsleitung hat uns gleich mitgeteilt, dass sie Herrn Saleh gerne nach bestandener Prüfung übernehmen würden“, so Lange.

 Dann endlich ist es soweit. Im April 2024 hat er seine Führerscheinprüfung. Er besteht im ersten Anlauf. Stolz zeigt er seiner Arbeitsvermittlerin seinen neu ausgestellten Führerschein und seinen Fahrerqualifizierungsnachweis in der Hand. Letzterer ist der Nachweis über die Berufskraftfahrerqualifikation. Saleh ist Frau Lange dankbar. Sie habe an ihn geglaubt und ihn unterstützt, sagt Saleh abschließend. Man sieht ihm die Freude an, endlich arbeiten gehen zu können.

Kurze Zeit später unterschreibt er seinen Arbeitsvertrag. Nicht bei seinem Praktikumsbetrieb, sondern beim Omnibusbetrieb OWR, Inh. Irene Meier e. K. in Wallenhorst. Dort ist er jetzt im Linienverkehr in und um Osnabrück im Einsatz. Seine Chefin ist zufrieden mit ihm. „Momentan braucht er noch Unterstützung, aber es wird“, so Irene Meier optimistisch. Denn Saleh sei bemüht und sehr angenehm im Umgang.

Acht Jahre nach seiner Ankunft in Deutschland ist er wirklich angekommen in seiner neuen Heimat.